International Aktuell

International

"Atomkraft – Energie für eine leuchtend helle Zukunft"

(Fr., 11.03.2016/Ut) Laut Risikoberechnung von Atomexperten aus den sechziger/siebziger Jahren, sei mit einem Super-GAU höchstens alle 10.000 Jahre zu rechnen. Zieht man heute - am fünften Jahrestag von Fukushima - Bilanz, liegt diese Expertenprognose zu 99,88 Prozent daneben - Tendenz steigend.  Harrisburg 1979, Tschernobyl 1986, Fukushima 2011 - das sind bereits drei Reaktorkatastrophen in 37 Jahren. Der Beinahe-GAU im elsässischen Fessenheim 2014 und die maroden belgischen Atommeiler Tihange und Doel zeigt, wie nah wir in Europa, in Deutschland, einer Reaktorkatastrophe sind, die uns unmittelbar treffen könnte. Vor radioaktiven Strahlen lassen sich eben keine Grenzen schließen.

Drei große Reaktorkatastrophen

Fukushima bedeutet Insel des Glücks. Auf heutigen Fotos sieht man hunderttausende schwarze BigBags, fein säuberlich zu Quadraten zusammengestellt. Ästhetik der Katastrophe. Das sind Japans Zwischenlager für die verstrahlten Hinterlassenschaften des Super- GAUs. Die Städte verfallen. Erst kürzlich soll das Schild am Eingang der Geisterstadt Futaba abgenommen worden sein. „Atomkraft – Energie für eine leuchtend helle Zukunft“, stand darauf

Sie hätten es wissen müssen. Sie hätten lernen können aus den Katastrophen von Harrisburg(Pennsylvania), wo es am 28. März 1979 zur Kernschmelze des fabrikneuen Atommeilers kam. Weil der Reaktor nicht explodierte, wie sieben Jahre später in Tschernobyl, ging dieser Ernstfall verhältnismäßig glimpflich aus, wurde aber von der Menschheit kaum wahrgenommen.

Anders der Super-GAU von Tschernobyl am 26. April 1986. Der Fallout verteilte sich großzügig über Westeuropas. Angesichts der eigenen Betroffenheit entwickelte sich, insbesondere in der westdeutschen Bevölkerung eine kritischere Haltung gegenüber Atomenergie. Der Atomausstieg, den die Bundesregierung 2011 unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe von Fukushima beschloss, wähnt leider viele Menschen in Sicherheit.

Trügerische Sicherheit

Diese Sicherheit ist trügerisch: Nicht nur weil in Deutschland bis 2022  immer noch Reaktoren laufen sollen, die allein wegen ihres Alters ein hohes Gefahrenpotential darstellen. Vor allem sind es die grenznahen Atommeiler unserer Nachbarländer, auf deren Gefährlichkeit wir keinen Einfluss haben.

Alt und marode. Das kennzeichnet das belgische Atomkraftwerk Tihange unweit der deutschen Grenze. Trotz der mehr als 2000 Risse soll der Reaktor noch Jahre weiter laufen. Je länger der Meiler laufen wird, um so anfälliger wird er, so die Prognose. Denn die – vermutlich produktionsbedingten – Risse im Stahlmantel – könnten zu Belastungen im Druckbehälter führen, Wasserstoffmoleküle könnten aus dem Kühlwasser ins Metall wandern und die Risse weiter aufsprengen. (Ein Risiko, mit dem auch das Niedersächsische AKW Grohnde behaftet ist). Städte und Gemeinden in der grenznahen Region Aachen bereiten sich bereits auf den Ernstfall vor. Außerdem haben sie Klage eingereicht, gegen den Betrieb der belgischen Risiko-Meiler. Die Belgische Regierung verbittet sich indes jede Einmischung.Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass bereits am 9. April 2014 im Atomkraftwerk Fessenheim im Elsass Wasser im Reaktorblock I Wasser eingedrungen und bereits in tiefere Gänge gelaufen war. Das Krisenteam entschied das Werk abzuschalten, doch die Steuerstäbe ließen sich nicht mehr bewegen, daher wurde – das erste Mal in der Atomgeschichte – Bor in das Kühlsystem eingeleitet, um die Kettenreaktion zu unterbrechen. Der Interatonalen Atombehörde wurde der Vorfall zwar gemeldet, jedoch die Einleitung von Bor verschwiegen. Das war dicht dran am ersten Super-GAU in Europa! Fessenheim ist mit 39 Jahren das älteste Atomkraftwerk Frankreichs und hat noch ein Jahr Laufzeit. Momentan wird bei unseren französischen Nachbarn außerdem über eine Laufzeitverlängerung auf 50 Jahre diskutiert. Die Sicherheitsrisiken würden drastisch erhöht werden.

Wohin werden wir gehen?

Gerade weil sich radioaktive Strahlung nicht an der Grenze zurückschicken lässt, ist Atompolitik keine persönliche Staatsangelegenheit. Das in den nächsten Jahrzehnten, vielleicht schon bald ein Super-GAU in Europa passiert, wird angesichts der maroden Reaktoren immer wahrscheinlicher. Deshalb müssen wir darauf bestehen, dass auch in unseren Nachbarländern die Reaktoren umgehend abgeschaltet werden! Wenn in Europa ein Super-GAU passierte, dann würden wir selber zu Flüchtlingen. Nur wo wird dann der Ort sein, an den wir noch gehen könnten?