„Friedensfeier“ *
Der „Historische Moment“ findet in der Politik meistens dann statt, wenn Politiker etwas beschlossen haben und sich selber feiern wollen. Die Atompolitik scheint prädestiniert für solche Momente zu sein. Möglicherweise liegt es an der langen Lebensdauer dieser Materie, obgleich sie Zeiträume historischen Ausmaßes bei Weitem übertrifft.
Für Bundeskanzlerin Angela Merkel war die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke ein historischer Moment, ebenso wie der wenige Monate später abermals beschlossene Ausstieg. Während Merkel es in gewohnter Lakonie bei den Begrifflichkeiten belässt, preist der zurzeit amtierende Bundesratspräsident Wilfried Kretschmann das neue Standortauswahlgesetz mit großem Pathos an. Schließlich hat ER – gemeinsam mit dem ehemaligen Bundesumweltminister Röttgen – den Anstoß für dieses Gesetz gegeben. „Es ist ein wahrlich historischer Akt“, verkündete er dann auch feierlich in seiner Dankesrede an Röttgen und Altmaier im Bundesrat und sprach gar vom „Epilog“ in der Atommüllgeschichte. Als Altphilologe hätte er eigentlich wissen sollen, dass Epiloge in Tragödien Konflikte lösen und nicht Millionen von Jahren weitertragen.
„Das Gesetz hat allen Unkenrufen zum Trotz (Anm. die Unken sind dann wohl die Skeptiker?) das Licht der Welt erblickt“, fuhr er fort, als habe er eine „wahrlich“ messianische Botschaft zu überbringen. Umweltminister Peter Altmaier, ebenfalls ganz der stolzer Vater, stimmte in die Hymne mit ein: „Eine schwere Geburt; aber es war eine erfolgreiche Geburt. Wir haben ein Kind, auf das wir gemeinsam stolz sein können, das aber in den nächsten Monaten wachsen und gedeihen muss.“
Währenddessen saßen die Unken in den Zuschauerreihen und bestaunten die feierliche Zeremonie, als wohnten sie gerade einer Nobelpreisverleihung bei.
Nun gut, man ist soeben Vater geworden, da muss ein bisschen Feierlaune und Harmonietrunkenheit schon erlaubt sein. Wen interessieren in solch einem historischen Moment schon die profanen Sorgen von skeptischen Bürgern, oder gar die 95% deutschen Atommülls, die das Gesetz per se ausklammert?
Antonia Uthe
(*vgl. Hölderlin)