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Kanaldörfer

Fukushima: Tragödie ohne Ausgang

(Di.; 14.03.17 / UT) Freitag, 10. März 2017. Am Vorabend des 6. Fukushima-Jahrestages haben sich etwa 75 Menschen unter der Brücke der Industriestraße Nord in Salzgitter-Bleckenstedt zur „Mobilen Atomaufsicht“ eingefunden. Mit ihren regelmäßigen Protestgängen zur Schachtanlage KONRAD 1 wollen die Anwohner der Kanaldörfer um KONRAD herum ihren Widerstand gegen dieses waghalsige Atommüllprojekt demonstrieren. An diesem Freitag wurde diese „Atomaufsicht“ von der Japanerin Shinoba Katsuragi begleitet, die über die aktuelle Situation in Fukushima berichtete.

Die Japanerin ist Zeitzeugin der Reaktorkatastrophe von Fukushima. An den Vorabend des 11. März erinnert sie sich genau. Das Erbeben. Die Ausläufer der heftigen Erdstöße waren sogar im 600 km entfernten Osaka – ihrem Wohnort zu spüren. Ihre Wohnung im 34. Stock eines Hochhauses habe ganz schön geschwankt, erzählte Katsuragi. 2013 kam die Japanerin als Dolmetscherin nach Deutschland. Inzwischen ist sie im internationalen Widerstand gegen Atomenergie aktiv.

Niemand weiß bis heute, wie wirklich mit dem strahlenden Müll umgegangen werden kann, das macht ihr Bericht deutlich. Dabei wächst der Atommüllberg von Tag zu Tag. Für „Aufräumarbeiten“ müsse nicht die Betreiberfirma Tepco aufkommen, die Kosten würden auf die Strompreise aufgeschlagen, berichtete Katsuragi. Die Regierung versuche den Atommüll zu recyceln, das Material als Untergrund für Straßenbelag oder anderweitig zu verwenden. Sie erzählte von einem Bekannten, der sich in Japan auf eine neue Bank setzte und sein Geigerzähler, den er ständig mit sich trage, sofort Alarm schlug.

Am schlimmsten sei die Verharmlosung und Vertuschung der gesundheitlichen Folgen, wie gehäufte Fälle von Schilddrüsenkrebs bei Kindern. Die Regierung leugne hier die Zusammenhänge zwischen der Reaktorkatastrophe und den Erkrankungen mit unwissenschaftlichen Argumenten.*) Besonders zynisch sei jedoch, dass die japanische Regierung von den geflohenen Opfern erwarte, dass diese jetzt in die immer noch verstrahlte 30 km Zone zurückkehren. Doch nur 13 Prozent, hauptsächlich alte Menschen, seien dazu bereit. Die Jüngeren wollen nicht zurück. Die Regierung versuche sie unter Druck zu setzen, indem sie Ende März die Unterstützungszahlungen für diese Opfer einstelle.

Am Tag von Katsuragis Rede waren gleich fünf Atomkraftwerke in Norddeutschland in Alarmbereitschaft. Der Grund: Zu einem Flugzeug auf dem Weg von Ungarn über Deutschland nach England war der Funkkontakt abgebrochen. Eine Situation auf die anscheinend niemand von den Verantwortlichen wirklich vorbereitet war. Auch auf etwas anderes scheinen sich alle Bundesregierungen, seit es Atomkraft in Deutschland gibt, niemals vorbereitet zu haben: Dass beim Betreiben von Atomkraftwerken auch Atommüll anfällt und dass für dessen Verwahrung - sei er nun wärmeentwickelnd oder nicht – ein hohes Maß an Sicherheit gewährleistet sein muss. Für Schacht KONRAD gibt es bisher jedenfalls keine überzeugende Sicherheitsgarantie, zumal hier schon bei Ausbau und Planung nichts funktioniert.

Bilder von der Mobilen Atomaufsicht im Album

*)Die Schattenseiten des Gesundheitsmanagements in Fukushima“ von Kosuke Hino erscheint dazu demnächst in deutscher Übersetzung im Verlag Neuer Weg.

Buch: ISBN 978-3-88021-449-1
eBook: ISBN 978-3-88021-450-7