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Atomkraft? Keinen Tag länger!

Pressemitteilung 06.09.2022

Stresstest ignoriert Sicherheitsmängel der AKW

Mit Blick auf den gestern veröffentlichten sogenannten „Stresstest 2.0“ erklären Umweltverbände, Anti-Atom-Initiativen und zivilgesellschaftliche Akteure:

Der Weiterbetrieb von Atomkraftwerken nach dem 31.12.2022 ist keine Option – auch in der aktuellen Energiekrise nicht. Der aus Sicht der Unterzeichner*innen ohnehin späte gesetzlich vereinbarte Abschalttermin darf für keines der drei noch laufenden deutschen AKW auch nur um einen Tag überschritten werden – weder für Isar 2, noch für Emsland oder Neckarwestheim 2!

Jeder weitere Tag Betrieb vergrößert die bereits jetzt bestehenden Gefahren in inakzeptabler Weise. Die noch laufenden deutschen AKW wurden in den 1980er Jahren gebaut; vergleichbare Technik in anderen Bereichen gilt zu Recht als Oldtimer. Neben dem immanenten GAU-Risiko führt die jahrzehntelange Nutzung zu hoher Materialermüdung und gefährlicher Alterung. In den letzten Jahren wurden die Meiler auf Verschleiß gefahren, wichtige Nachrüstungen und Überprüfungen nicht mehr vorgenommen. In allen drei AKW gibt es – neben bereits bekannten Schwachstellen und Rissen, zum Beispiel in den Dampferzeugern – den Verdacht auf unerkannte weitere Rissbildung. Ein erneutes Aussetzen der vorgeschriebenen Periodischen Sicherheitsüberprüfung verstößt sowohl gegen die deutschen als auch gegen EU-Sicherheitsvorschriften. Schon jetzt befinden sich die Atomkraftwerke im sicherheitstechnischen Blindflug: Zuletzt wurden sie 2009 nach den Regeln der frühen 1980er Jahre überprüft. Den Stand der Wissenschaft und Technik, der nach der Erfahrung der verschiedenen Atomunfälle aus gutem Grund Maßstab für die Sicherheitsbewertung sein muss, erfüllen die deutschen AKW in keiner Weise.

Die im Stresstest skizzierten potenziellen Schwachstellen des Energiesystems können und müssen auf andere Art behoben werden. Möglichkeiten dafür gibt es genug: Der Gesamtenergieverbrauch und die Höhe der maximalen Netzbelastung könnten durch eine großangelegte Energiespar-Kampagne stark reduziert werden. So wie es auch Japan nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima 2011 mit dem Setsuden-Programm erfolgreich praktiziert hat. Durch Beteiligung des Privatsektors, individuelle Energieberatung kleinerer und mittlerer Unternehmen und verpflichtende Sparmaßnahmen für Großbetriebe.

Aktuell dominieren Appelle an Verbraucher*innen den Diskurs, während Maßnahmen für Industrie und Gewerbe trotzihrer Wirksamkeit stark unterbetont sind. Auch von der Frage, welche politischen Maßnahmen nötig sind, damit sich Einzelne in einer Krisensituation mit hohen Energiepreisen nicht auf Kosten der sozial Schwächeren bereichern, lenkt die Atom-Debatte nur ab.

Ein Weiterbetrieb der Atomkraftwerke ist weder nötig noch hilfreich für die jetzt erforderlichen Maßnahmen – im Gegenteil: Der Weiterbetrieb auch nur eines der Atomkraftwerke verspielt ohne Not Vertrauen und Verlässlichkeit der Politik der letzten Jahre, bürdet der Allgemeinheit hohe Kosten auf und verhindert die jetzt notwendigen energiewirtschaftlichen und rechtlichen Reformen. Nicht zuletzt würde ein Weiterbetrieb aus angeblichen „Sachzwängen“ auch generell die Festlegung von Ausstiegsdaten für andere umwelt- und klimaschädliche Technologien in Frage stellen und damit weiteren Blockaden von Energiewende-Gegner*innen Tür und Tor öffnen.

Gemeinsames Statement(.pdf) von Umweltverbänden, Anti-Atom-Initiativen und zivilgesellschaftlichen Akteure zum Stresstest