Antonias Wörterbuch Aktuell

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U – Umwidmung

Das blaue Wunder von Jülich | Eine Widmung ist so eine Art behördliche Metapher, die Dinge per Hoheitsakt auf öffentliche Zwecke festlegt. Ein neuer Status also, der die Dinge zwar an sich nicht verändert, ihr Wesen jedoch in ein anderes Licht rückt. So bleibt ein gewidmeter Feldweg ein Feldweg, seine neue Stellung „für den Gemeingebrauch“ ist ihm jedoch nicht anzusehen. Hat ein Ding bereits einen hoheitlichen Status, kann dieser auch in einen anderen umgewidmet werden. Das alte Salzbergwerk Asse II  beispielsweise wurde seinerzeit auf diese Weise zum Atommülllager umgewidmet. (Nachzulesen im druckfrischen Atommüllverzeichnis von Umweltministerin Hendricks.)

In diesem Verzeichnis hat Frau Hendricks auch eine Landkarte. Eine himmelblaue Deutschlandkarte mit vielen gelben Kästchen: Das sind die Atommülllager. Auch kleine Reaktoren sind dort eingezeichnet: gelbe für die Leistungsbetriebe und blaue für die Forschungsreaktoren. Beim Atommüll aus den blauen Reaktoren handelt es sich um Forschungsmüll. Der ist angenehm, weil er ins Ausland exportiert werden darf. Der Müll aus den gelben Reaktoren ist jedoch höchst unangenehm, denn er unterliegt dem Exportverbot und muss im Lande bleiben.

Besonders fies ist der  Brennkugelelementen-Müll  aus Jülich und Hamm-Uentrop. Und weil beides Leistungsreaktoren waren, dürfen diese Brennelemente eigentlich nicht exportiert werden. Eigentlich! Hätte das Ministerium von Frau Hendricks nicht diesen Trick mit der Umwidmung auf Lager. Mit einem Mausklick werden die beiden gelben Reaktoren kurzerhand in blaue Atommüll-Export-Reaktoren umfunktioniert und flugs steht einer Reise in die USA nichts mehr im Wege.

Da das Umweltministerium versprochen hat, alle drei Jahre ein aktualisiertes Atommüll-Verzeichnis herauszubringen, bleibt abzuwarten, wann die beiden Reaktoren überhaupt nicht mehr auf der Karte auftauchen, und ob diese Umwidmungsstrategie überhaupt und allmählich immer mehr Standorte verschwinden lässt. Beispielsweise sind jetzt schon Asse II und Morsleben nicht mehr auf der Karte verzeichnet. Augenscheinlich sollen diese beiden Atommülldesaster so schnell wie möglich einen neuen öffentlichen Zweck als „Nichtse“ erfüllen und vergessen werden.

Vielleicht ist das Atommüllverzeichnis von Frau Hendricks ja auch einfach nur als eine Art Umwidmungsverzeichnis gedacht? Und wenn alles weggewidmet wurde, dann wird sich auch endlich der Traum ganzer Umweltministergenerationen erfüllen:  Die himmelblaue Landkarte wird strahlendweiß sein.

Antonia Uthe