Atommüll Alarm Aktuell

Atommüll Alarm 2014

Strahlen halten sich nicht an Grenzen

(Di., 28.10.14/UT) „Ionisierende Strahlen sind immer gefährlich, sie halten sich nicht an Grenzen“, lautete die Kernaussage des Mediziners Dr. Hartmut Heinz vom IPPNW* im Rahmen einer Vortragsreihe zum „Risiko durch Nuklearbetriebe in Braunschweig“. Alpha-und Betastrahler haben zwar eine geringere Reichweite als Gammastrahler und werden deshalb oft als harmlos abgetan, doch ungefährlich sind sie keineswegs, nur wirken sie nicht sofort, sondern über einen längeren Zeitraum.

Biologische Wirksamkeit durch Anreicherung im Körper

Wollten Alpha und Betastrahler versuchen von außen durch die Haut in den Körper gelangen, kämen sie nicht weit. Doch werden sie mit dem Wasser, der Nahrung oder der Atemluft aufgenommen, können sie sich in den Organen anreichern und Krankheiten und Erbschäden auslösen. Gerade Tritium (H-3, schwerer Wasserstoff), Kohlenstoff (C-14), Strontium (Sr-90), Jod (I-131, Plutonium (Pu-239) sowie radioaktive Edelgase, werden bei jeder Atomanlage schon bei Normalbetrieb an  Luft und Wasser abgegeben und sind dann sehr gefährlich. Tritium hat eine Halbwertzeit von 12,3 Jahren. Es kann sich mit Sauerstoff zu radioaktivem Wasser verbinden, von Pflanzen, Tieren und Menschen aufgenommen werden und so in alle Körperteile gelangen. Strontium 90 wird vom Körper für Calcium gehalten und in Knochen und Zähnen eingelagert. Seine Halbwertzeit beträgt 28,8 Jahre. Wenn es ins Knochenmark eindringt, kann das schnell zu Leukämie führen. Die Gefährlichkeit dieser Stoffe beruht also nicht in erster Linie auf ihrer physikalischen Reichweite, sondern auf ihrer biologischen Halbwertzeit, also wie lange sie als radiotoxische Stoffe im Körper lagern und „effektiv“ wirksam sind.

Strahlenangriff auf den Zellteilungsprozess

Durch Niedrigstrahlung ausgelöste Defekte im Erbgut werden in der Regel nicht sofort bemerkt. Erst im Laufe der Zellteilungsprozesse nehmen die DNA-Defekte drastisch zu. Eine „genomische Instabilität“ ist die Folge. Während der Zellteilung (Mitose) sind die Zellen besonders empfindlich für die Aufnahme dieser radioaktiven Stoffe. Die beiden DNA-Stränge werden getrennt, neue Paare bilden sich. In dieser Phase können sich diese Stoffe leicht andocken und die Zellen schädigen. Kinder und besonders Embryonen sind am meisten gefährdet, weil in ihrem Körper viel häufiger Zellteilungen stattfinden, als bei Erwachsenen.

Auch durch den sogenannten „Bystander-Effekt“ kann es zu Zellschäden kommen. Die betroffenen Zellen geben Substanzen ab, die auf andere Zellen wirken, die, gleich einer Ansteckung, identische Defekte hervorrufen. Auch Herz- und Kreislauferkrankungen werden häufig durch Niedrigstrahlung verursacht und zwar durch Angriffe auf die Mitochondrien (Energiezentren in der Zelle), die über eine eigene DNA verfügen.

Hintergrundstrahlung = natürliche Strahlung +

Auf der Erde gibt natürliche Strahlung, die durch komische Strahlen und terrestrische Strahlung aus dem Boden verursacht wird. Auch sie kann Krankheiten auslösen. Dazu addiert sich jene Strahlung, die durch die Erzeugung von Atomenergie entsteht und emittiert wird, Strahlung, die durch atomare Unfälle verursacht wird und wurde. Und auch die in immer größerem Stil betriebene Praxis des „Freimessens“ lässt diese Hintergrundstrahlung auffällig ansteigen. Eine empirische Erhebung des Physikers Dr. Alfred Körblein hat ergeben, dass sich das Krebsrisiko bei einem Anstieg der Hintergrundstrahlung um ein Millisievert pro Jahr das Krebsrisiko um 10 Prozent erhöht; die Säuglingssterblichkeit sogar um 21 Prozent.

Grenzwert eine politische Größe

Der Grenzwert für ionisierende Strahlen ist in der Strahlenschutzverordnung festgelegt. Hiernach darf ein Mensch einer Strahlendosis von einem Millisievert pro Jahr ausgesetzt sein, abzüglich der sogenannten natürlichen Strahlung. Diese ist jedoch von der Hintergrundstrahlung nicht zu trennen, steigt also stetig  Dabei suggeriert der Begriff Grenzwert, dass alles was unterhalb dieser Grenze ist, unbedenklich scheint und erst wenn der Wert überschritten wird, kann es gefährlich werden.

Doch Strahlung ist auch in geringsten Dosen wirksam. Dabei folgt der Grenzwert keineswegs medizinischen Erkenntnissen, sondern wirtschaftlichem Kalkül und politischer Festsetzung. Bei Bedarf (wie in Japan nach der Reaktorkatastrophe) könnte er schnell an neue Gegebenheiten angepasst werden.

Zudem orientiert sich dieser Wert an einem gesunden jungen Mann mit einem intakten Zellreparaturmechanismus dem „Reference Man“, der aber mit Sicherheit mehr Radioaktivität kompensieren kann als eine Frau, ein Kind oder ganz zu schweigen von einem Embryo.

Dr. Winfrid Eisenberg vom IPPNW fordert: „Es ist daher höchste Zeit, den „Reference Man“ durch einen „Reference Embryo“ zu ersetzen.“

*Internationale Ärzte für die Verhütung von Atomkriegen, Ärzte in sozialer Verantwortung