Atommüll Alarm Aktuell

Atommüll Alarm 2014

Das Märchen wie mit Kohle und Atomenergie Öl gewonnen werden sollte

(Mo., 03.11.14/UT) Über den Geist der 70er Jahre am Beispiel Asse II, der „Atomforschung“ in Jülich und Karlsruhe, die akuten Pläne hochaktiven Müll zu exportieren und einen verstrahlten Reaktor einfach umzulegen. Vortrag des Chemiker Dr. Rainer Moormann im Haus der Wissenschaft in Braunschweig.

Moormann, war über dreißig Jahre im Sicherheitsbereich des Jülicher Forschungszentrums tätig. Als er entdeckte, dass es im Kugelhaufenreaktorschwere AVR Jülich schwere Störfälle gegeben hatte und hohe Radioaktivitätsabgaben, die vertuscht wurden, ist er als Whistleblower an die Öffentlichkeit gegangen.

Es war diese Aufbruchsstimmung der 1960ern. Sie  befeuerte die Entwicklung dieser Technik: Der Kugelhaufenreaktor trägt uns mit Sieben-Mailen-Stiefeln ins Atomzeitalter, lautete die Werbung. Der AVR Jülich ging 1966 in Betrieb,  unterstützt von Politik und Gewerkschaft, denn  mit „Kohle und Kernenergie“ sollte Öl gewonnen werden und die Arbeitsplätze im Steinkohlebergbau in Nordrheinwestfalen gerettet werden. „Heute gehören Kugelhaufenreaktoren, Asse II und die Wiederaufbereitungsanlage in Karlsruhe zu den problematischsten Hinterlassenschaften der Atomindustrie“, so Moormann.

Das Besondere dieses Reaktortyps sind die Brennelemente, die in Graphitkugeln eingebettet sind. Der keramische Reaktorkern kann zwar hohe Temperaturen vertragen, jedoch ist Graphit auch brennbar. Gekühlt wird der Reaktor mit Heliumgas. Die 100.000 Kugeln, die den Jülicher AVR-Kern bilden, müssen sich ständig bewegen. Hier liegt der Geburtsfehler: Die Reibung im Helium ist sehr hoch, die Kugeln fließen ungleichmäßig, verklemmen sich und sind schwer aufzufinden. Da hier Temperaturmessungen schwierig sind, gab es keine Vorstellung über die genaue Temperaturhöhe, so dass der Reaktor lange Zeit mit viel zu hohen Temperaturen gefahren wurde. Die hohen Kerntemperaturen, blieben „offiziell“ unbemerkt. Probleme bereitete die Rückhaltung radioaktiver Spaltprodukten wie Strontium und Cäsium. Weil die Strontiumwerte so hoch waren, wurden die Messungen kurzerhand eingestellt. 1978 kam es durch eine heiße Gassträhne zu einem Leck im Dampferzeuger und einem massiven Wassereinbruch. Das automatische Abschalten des Reaktors wurde verhindert, indem am Reaktorschutz manipuliert wurde. 1988 wurde der Betrieb aufgrund der vielen Zwischenfälle schließlich eingestellt.

Der Rückbau des verseuchten Reaktors gestaltet sich als schwierig und wird erst in Jahrzehnten möglich sein. Aufgrund hoher Kontaminationen des Erdreichs unter dem Reaktor, soll der gesamte Druckbehälter  ein paar hundert Meter versetzt werden und in ein eigens dafür errichtetes Zwischenlager gebracht werden. Ein riskantes Unterfangen, zumal es durch die Kippung zu Gasansammlungen kommen kann, die weiter Probleme verursachen können. Obwohl diese Kugelhaufen-Technik von Beginn an ein einziges Desaster war, wurde an ihr festgehalten und 1983 mit dem Thorium-Hochtemperaturreaktor (THTR) in Hamm-Uentrop ein weiterer Reaktor diesen Typs in Betrieb genommen. Noch in der Vorbetriebsphase am 4. Mai. 1986 kam es zu einem schweren Störfall mit einem hohen Radioaktivitätsaustritt. Dieser sollte der Katastrophe von Tschernobyl in die Schuhe geschoben werden. Doch die Sache flog auf, weil es sich bei den Freisetzungen am THTR hauptsächlich um Thorium handelte. Und das konnte nicht aus Tschernobyl sein. Der Betrieb des THTR wurde 1989 eingestellt. Der Reaktor befindet sich zurzeit im sicheren Einschluss.

Überhaupt nicht gelöst ist das Problem mit den radioaktiven Abfällen. Es wird vermutet, dass 100 Brennelementekugeln in Asse II verschwunden sind. Lokale Proteste haben verhindert, dass weitere Kugeln dort eingelagert wurden. Die jetzige Bunderegierung versucht gerade im Bündnis mit der Landesregierung in NRW die AVR und THTR- Brennelemente in die militärische Wiederaufbereitungsanlage in Savannah River Side in den USA zu exportieren. Allerding verbieten sowohl das deutsche Atomgesetz als auch die EU-Richtlinien Transporte von Brennelementen aus Leistungsreaktoren. Daher ist die deutsche Bundesregierung gerade dabei diese beiden Meiler in Forschungsreaktoren umzudeklarieren. Es sei notwendig diese Pläne zu verhindern, sagte Moormann.

Doch auch die Unterbringung der restlichen radioaktiven Hinterlassenschaften gestaltet sich als schwierig. Zum einen wegen des riesigen Volumens, zum andern wegen des hohen Gehaltes an radioaktivem Kohlenstoff, den diese Graphittechnik mit sich bringt.

Die massive Förderung der AVR und die gesamte Entwicklung bezeichnet Moormann als „eine Form des Wissenschaftsbetrugs“. In Jülich sei sehenden Auges das Aufzeigen und Angehen von Problemen unterlassen worden.