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R – Referenzbrand

Fantastische Statistik* | Atommülltransporte sind ungefährlich. Das hat die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) statistisch einwandfrei nachgewiesen. Selbst, wenn diese Transporte das Atommülllager täglich anfahren würden, wenn es zu Unfällen käme, wäre das nicht weiter tragisch, denn der Atommüll läge sicher und geborgen in seinen Transportbehältern, denen selbst ein Brand nichts anhaben könnte.

Sollte es tatsächlich gelungen sein, jene Wunderbehälter zu entwickeln, die jedweder Zerstörung standhalten? Wohl kaum. Vielmehr ist es den Rechenkünstlern der GRS gelungen, schwerste, also behältergefährdende Unfälle, gar nicht erst vorkommen zu lassen. Nötig sind dafür nur ein paar Statistiken und keine Fantasie, denn Fantasie ist absolut hinderlich für diesen Nachweis.

Nichts bildet die Realität doch zuverlässiger ab als Statistiken. Akribisch zeigen sie Vergangenes auf, denn was schon einmal war, kann mit großer Wahrscheinlichkeit auch wieder passieren. Mittelwerte werden gebildet, Standardabweichungen aufgezeichnet und Referenzgrößen geschaffen, auf die sich eine zuverlässige Wissenschaft beziehen lässt. So haben die Fachleute der GRS sogar etwaigen Bränden ihre Referenz erwiesen. Und nebenbei: Referenzen, das weiß man ja, sind immer eine solide Basis, quasi die Urquelle des Vertrauens. Sechzig Minuten darf so ein Referenzbrand dauern, bei einer Hitzeentwicklung von 800 °C. 

Alles was darüber hinausgeht: Heiße Kerosinbrände bei Flugzeugabstürzen beispielsweise, die ein mögliches Zukunftsszenario abbilden, sind nicht wahrscheinlich oder, wenn bereits etwas Ähnliches vorgekommen ist, so jedenfalls nicht im statistischen Einzugsgebiet der GRS und muss per se nicht mitgerechnet werden.

Was nur möglich ist, aber nicht wahrscheinlich – also irreal - gehört nicht in das Terrain eines seriösen Wissenschaftlers, sondern in die fiktive Fantasiewelt eines Romanautors. Und da sollte man doch bitte trennen.

Antonia Uthe