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Morsleben / Kundgebung+Hintergrund

ASSE II ist nicht die einzige Atommüll-Altlast !

Morsleben nicht besser als ASSE II

Bund nutzt DDR-Tradition schamlos aus ! Kundgebung am Freitag

Im „Endlager für radioaktive Abfallstoffe im Morsleben“, kurz ERAM, in das zunächst die DDR ihren Atommüll einlagerte, dass dann aber 1990 von Bundesregierung und Energiewirtschaft begierig aufgegriffen und weiterbetrieben wurde, sieht es nicht besser aus, als in der ASSE II. Darauf weisen die Vertreter der Endlagerstandorte ASSE II, Morsleben, Gorleben und KONRAD hin und rufen für Freitag, den 10. Oktober um 08.00 Uhr morgens zu einer Kundgebung in Morsleben auf. Von 08.30 - 12.30 Uhr will Bundesumweltminister Gabriel die Anlage besuchen.

„Aus unserer Sicht“, so Peter Dickel von der Arbeitsgemeinschaft Schacht KONRAD e.V. „muss Morsleben genauso auf den Prüfstand wie die ASSE II und alle offenen Fragen, die bei ASSE II anstehen, z.B. Inventar und Rückholung, müssen bei Morsleben ebenso öffentlich diskutiert werden.“

Das ERAM ist eine große, verzweigte „Doppel-Schachtanlage“ (aus den beiden Schächten Marie und Bartensleben) mit Atommüll-Kammern in entlegenen Winkeln. In einen Teil der Anlage läuft Wasser, aber nicht nur das erinnert an ASSE II: Die Grube ist so brüchig, dass sie seit 2003 im Rahmen bergbaulicher Gefahrenabwehr notverfüllt wird. Das ist in zweierler Hinsicht bemerkenswert: Erstens waren die Probleme durch Gutachten westdeutscher Geologen bereits seit Anfang der 90er Jahre bekannt und trotzdem ließ die damalige Umweltministerin Merkel munter weiter westdeutschen Müll einlagern. Zum zweiten greift die Notverfüllung der seit Jahren überfälligen Öffentlichkeitsbeteiligung vor. Denn anders als bei ASSE II galt das ERAM immer als Atommüllendlager, was u.a. heißt, dass für die Schließung eine Beteiligung der Öffentlichkeit erforderlich ist. Während das Schließungsverfahren aber seit mehr als einem Jahrzehnt läuft und seit fünf Jahren notverfüllt wird, verschiebt sich die mehrfach angekündigte Öffentlichkeitsbeteiligung Jahr um Jahr.

Betreiber des ERAM ist das Bundesamt für Strahlenschutz in Salzgitter, das - eine merkwürdige Konstruktion - zugleich die Betriebsaufsicht führt. Das dies für die sachsen-anhaltinische Genehmigungsbehörde nicht unproblematisch ist, dürfte dem heutigen BfS-Präsidenten Wolfram König noch aus seiner Zeit als Umwelt-Staatssekretär in Sachsen-Anhalt von 1994 - 1998 geläufig sein. Es war eben jene Zeit, in der die Bundesumweltministerin Merkel mit bundesstaatlichen Machtmitteln dafür sorgte, dass die Atomkraftswerkbetreiber ihre überfüllten Atommüll-Lager an den Kraftwerken ins ERAM entleeren konnten. Immerhin wurde der größere Teil des (bekannten) Inventars vom Westen eingebracht.

Das Morsleben heute in der öffentlichen Diskussion kaum eine Rolle spielt, liegt nach Auffassung der Kritiker an der unterschiedlichen Entwicklung der gesellschaftlichen Diskussion in Ost und West. „Seit 1964 sind alle Probleme von ASSE II öffentlich kontrovers diskutiert worden. Eine vergleichbare Möglichkeit gab es in der DDR nicht“, meint Peter Dickel, „eine Tatsache, die der Betreiber jetzt schamlos ausnutzt."